"Landschaft" enthält sowohl "Land" wie auch das suffix "-schaft": von Menschen geschaffenes Land; ein Bild, gesehen von einem menschlichen Standpunkt aus, der wahrnehmend, zusammenfassend und ordnend diesem Raum, diesem Ort eine ästhetische Form gibt.

Paula Oltmanns Arbeiten lassen uns seltsame Landschaften sehen. Oft haben ihre Arbeiten eine merkwürdige Materialität und eine künstliche, maschinelle Herkunft: Bilder, die von KI erzeugt wurden, Wachskörperteile, die zugleich Äste sind, Blumenornamente, die zugleich Uhrenfedern sein könnten. Sie verweisen auf Bilder, die wir aus Filmen und andren Medien kennen. Vielleicht ist es der Verfremdungseffekt, der es möglich macht, dass sie in uns eine feine, zarte Sehnsucht wecken - nach einem Weg in die Landschaft, in dem wir zu ihrem Teil werden und sie damit als Gegenüber verschwindet.

Für ihre Installation Transformer, 2023, hat Paula Oltmann einen künstlichen Wald ins Parkett der Stadtgalerie Kiel gepflanzt. Dort, wo die Holzplättchen lose sind, nutzt sie die Fehlstellen des White Cube, um einen künstlichen Wald aufwachsen zu lassen. Ihre kunstvollen Stäbe wurden aus Grünholz gedrechselt. Dieses junge Holz könnte weiterarbeiten und Risse bekommen, die von der Künstlerin nicht kontrollierbar sind. Das Holz, aus dem Parkett wie Arbeit bestehen, wird als Material, das nicht von Menschen gebildet wurde, sondern von einem Baum, der sich Jahr für Jahr neue "Häute" zugelegt hatte, eigenständig. 

An der Wand begrenzt die Arbeit Horizon Template in 16 Teilen den Horizont, wobei sie gleichzeitig eine mögliche topographische Aufsicht auf das - unbestimmt bleibende - Gelände abbilden könnte. Es handelt sich um Wachsgüsse, die immer von derselben Form eines 3D-Drucks abgenommen wurden, aber minimal unterschiedlich sind.

Sowohl die Drechselstäbe wie die Drucke sind repetitiv geschichtet und ähneln sich stark, ohne gleich zu sein. Sie abstrahieren Landschaftsformen bis zur Unlesbarkeit - gibt es ein solches Gelände, kann man im Stab noch einen Baum erkennen? So zeigen und verbergen sie zugleich die natürlich-künstliche Landschaft, die wir sehen und uns gleichzeitig vorstellen müssen.

Damit ähneln sie der großen Fotografie Stop’n‘Watch, die ein Fernrohr zeigt, wie man es oft an Aussichtsorten findet. Man könnte hier einen Blick auf den Pfänder in Bregenz sehen - wenn nicht alles hinter dem Fernrohr im Nebel versinken würde. Der Wald ist da, aber nicht zu sehen. So sieht man, obwohl es sich um eine Fotografie handelt, die abgebildete Landschaft nur in der Vorstellung.  

Im 15. Jahrhundert drechselten Könige kunstvolle und völlig unnütze Objekte, in Analogie zu Gott, dem höchsten Drechsler. Diese merkwürdigen Gegenstände scheinen heute wie erste gegenstandslose Kunst - entstanden aus "interesselosem Wohlgefallen" heraus. Oltmanns "Bäume" sind vielleicht keine. Auch die ebenfalls aufwändig und kunstvoll hergestellten Wandtableaus aus schwarzem Wachs mit ihren Wirbeln bilden nicht wirklich etwas ab.

Hinter dem Fernrohr liegt die weiße Wand des Nichts. So springen die Arbeiten zwischen Techné und Natur, dem Hervorrufen von Bildern und ihrer Negierung hin und her. In diesem Flirren entsteht auf merkwürdige Weise eine Möglichkeit von Wahrheit.

Antje Majewski – 2023

Kiefernholz, Staub, Dimension variabel

CV

Paula Oltmann (*1997 in Kiel) studiert Bildende Kunst bei Ina Weber an der Universität der Künste in Berlin. In ihren Objekten und Installationen untersucht sie vornehmlich die materiellen Beschaffenheiten des Umraums als einen potenziellen Zugang zu erzählerischen Potenzialen und Erinnerungen. Ausgangspunkt sind oftmals skulpturale und installative sowie digitale Prozesse der De- und Rekonstruktion als eine Form der Suche nach Temporalität und Transformation. Anlass für ihre Überlegungen sind diverse mediale sowie popkulturelle Einflüsse, die Grundlage für die Verhandlung von Raum und Erzählung im Verlauf der Zeit bieten. 

Oltmann nahm Teil unter Anderem Teil an Gruppenausstellungen im Künstlerhaus Bregenz, im Museum für Fotografie Berlin, sowie in der Stadtgalerie Kiel. Seit 2022 ist Paula Oltmann Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes. 

2021–2022

Wissenschaftliche Hilfskraft bei Fr. Dr. Prof.in Christiane Kruse

2019–2021

Wissenschaftliche Hilfskraft, Malereiklasse bei Fr. Prof.in Antje Majewski

2018–2022

B.A. Studium der Freien Kunst und Germanistik an der Muthesius Kunsthochschule und Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

2017–2018

B.A. Studium der Freien Kunst an der Muthesius Kunsthochschule, Kiel

2016–2017

Studiumsvorbereitung

2016

Abitur

Publikationen

Krawall und Liebe, hg. v. memeclassworldwide, Muthesius Kunsthochschule, Kiel 2021.
How to Develop an Art Project, hg. v. Juan Manuel Blanco, Muthesius Kunsthochschule, Kiel 2020.

Einzelausstellungen

2025

Picture a city–that‘s me, Universität der Künste, Berlin.

2023

Tales of Being A Guest, Ortstermin 2023, Berlin. 

2022

Phantastic Landscapes, SP CE, Kiel.

2021

In der Zukunft graben, PrimaKunst e.V., Kiel.

Stipendien und Auszeichnungen

2022

Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes

Gruppenausstellungen

2022

Let‘s see what we find, Museum für Fotografie, Berlin.

2022

RETREAT, Off-Space Fabrikstraße, Kiel.

2021

Something to Declare/Nothing to Declare, Off-Space Vitrine381, Bremen.

2021

Import/Export, PrimaKunst e.V., Kiel Female*Invasion, Off-Space Umraum, Kiel.

2021

Powernap, Off-Space Flämische Strasse, Kiel.

2020

Maßnahme, Schlackebunker, Kiel.

2020

ROSAGRUEN, Atelierhaus im Anscharpark, Kiel.

2020

Rausch und andere Sitten, Brunswiker Pavillon, Kiel.

2019

Resonanzen, Große Kunstschau / Worpsweder Museumsverbund, Worpswede.

2023

Zur Zeit: Ein Anderer Alltag, Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis, Bregenz (Ö).

2023

RIFT, Project Space 101, Berlin.

2023

Uninvolved Junctions, Culterim Gallery, Berlin.

2023

4. Britzenale, Berlin.

2023

Gottfried Brockmann Preis 2023, Stadtgalerie Kiel.

2024

Ortsbezogene Installation am Richardplatz für 48h Neukölln, Berlin.

2024

under the nave, École nationale supérieure des beaux-arts de Paris (FR).

2024

in between echoes, FrappantGalerie, Hamburg.

2025

This World is But A Ghost, FrappantGalerie, Hamburg.

2025

Liquid Landscape, Lobeblock, Berlin.

2025

Jedermann* Selbstversorger, Anscharpark, Kiel. 

2025

Space and Spacelessness, Hochschulgalerie der HBK, Braunschweig.